Ein hartes (Schnellschach-)Turnierwochenende, Teil 1 – 6. Bad Friedrichshaller Schnellschachpokal

Um ein Haar hätte ich dieses Jahr nicht in Bad Friedrichshall am Schnellschachpokal teilgenommen, da ich einfach nirgends die Ausschreibung dazu finden konnte! Auch auf der Internetseite der Bad Friedrichshaller, die ich in der Hoffnung, die Ausschreibung dort zu finden, da ich ja wußte, daß das Turnier nun wieder stattfinden müßte, häufiger aufsuchte, wurde ich nicht fündig, da sie dort einfach zu gut versteckt war … . Glücklicherweise blätterte ich vergangene Woche in einem Gratisexemplar der Schachzeitung, welches ich beim Open in Esslingen (mal schauen, vielleicht bringe ich ja auch dafür noch einen Bericht zu Stande) abgegriffen hatte … . Hier stieß ich nun endlich zufällig auf die Ausschreibung, und sogar eine Internetadresse, unter welcher die Ausschreibung auch online zu finden sein sollte, war angegeben! Also schnell in den Browser eingegeben und nachgesehen und – … leider nicht vorhanden! Da wurde es mir doch zu bunt! Ich schrieb eine E-Mail an die Bad Friedrichshaller, und bekam bereits am nächsten Tag eine Antwort darauf, in welcher mir bestätigt wurde, daß das Turnier tatsächlich stattfinden würde, und auch ein diesmal korrekter Link, unter dem man die Ausschreibung auch online finden konnte, war angegeben! So machte ich mich denn samstags in aller herrgottsfrüh noch frohen Mutes auf dem Weg … . Denn da ja am selben Tag auch die württembergischen Blitzeinzelmeisterschaften stattfanden (siehe vorhergehender Bericht von Frank), dachte ich, daß eine ganze Menge spielstarker „Geier“, die sonst üblicherweise auch den Weg dorthin gefunden hätten, nicht kommen würden und ich somit vergleichsweise leichtes Spiel in Hinblick auf den Turniersieg haben sollte … . Aber wie heißt es doch so schön: erstens kommt es anders, und zweitens als man denkt … .

Nach Öffnung des Spielsaals warf ich denn sogleich einen Blick auf die ausliegende Liste mit den vorangemeldeten Spielern, um meine Chancen besser abwägen zu können. Der allererste Name, den ich las, war der von IM Mikhail Zaitsev (Elo 2498) … . Da dachte ich mir „Hm, das wird wohl doch nicht ganz so einfach …“. Ich ging die Liste weiter durch, und stieß vor dem letzten Namen auf keinen weiters besorgniserregenden Gegner … . Dann las ich jedoch auch den Namen des letzten vorangemeldeten Teilnehmers, und hierbei stockte mir doch der Atem! Stand da doch glatt der Name des „fliegenden“ GM Vladimir Epishin!! Das konnte ich nun doch einfach nicht glauben … . Zwar hatte ich in Schach Ausgabe 02/13 einen großartigen Schnellschachreminiszenzartikel von Ilja Schneider gelesen, wo u.a. beschrieben wird, wie Epishin urplötzlich bereits nach Beginn der ersten Runde eines ähnlichen Schnellschachturniers im Raum Essen hereingestürmt kommt, dabei stolpert und durch die Luft geschleudert wird!

Aber daß er den Weg nach Bad Friedrichshall finden würde, mochte ich trotz Kenntnis obigen Artikels zu diesem Zeitpunkt noch nicht glauben! Da es mir aber keine Ruhe ließ, sprach ich Timo Rieck vom Bad Friedrichshaller Schachverein darauf an, und er erklärte mir, daß er abends zuvor um 18:00 Uhr eine Email von Epishin erhalten hatte mit der Bitte, ihm innerhalb der nächsten Stunde mitzuteilen, wo sich Bad Friedrichshall denn überhaupt befände, da er um 19:00 Uhr mit dem Zug aus Wismar (!!) nach Bad Friedrichshall aufbrechen würde! Timo teilte mir weiterhin mit, daß er die Nachricht aber erst gegen 20:00 Uhr entdeckt hatte … . Jedenfalls wäre gerade jemand in Bad Friedrichshall am Bahnhof, um Epishin, so er denn um 9:39 Uhr mit dem Zug planmäßig eintreffen sollte, abzuholen und zum Spielort zu fahren. Und während wir noch über den „Teufel“ redeten, da kam er auch schon zur Tür herein! Und obwohl ich ihn nun leibhaftig vor mir sah, mochte ich meinen Augen nicht trauen … . Da Epishin ein redseliger Mensch zu sein scheint, begann er denn auch sogleich, sich intensiv und z.T. mehr oder weniger wild gestikulierent mit Timo Rieck zu unterhalten … .

Vor dem Start-3Der „fliegende“ Epishin …Vor dem Start-5

… langt sich an den Kopf.

Doch damit nicht genug, zu ihm gesellten sich auch noch IM Vadim Chernov (Elo 2453) und IM Valerij Bronznik (Elo 2312), so daß ich letztlich im Turnier an fünfter Stelle gesetzt war. Nachdem ich mir der Stärke des Teilnehmerfeldes bewußt geworden war (dem mit Abstand allerstärksten aller bisherigen Auflagen!), verabschiedete ich mich von meinen Siegambitionen und hoffte auf ein zumindest einigermaßen passables Turnier, vielleicht sogar den dritten Platz!?

In der ersten Runde traf ich naturgemäß auf einen nominell vergleichsweise schwachen Gegner, den ich, da ich mir wieder seinen Namen gemerkt noch aufgeschrieben habe, noch zwischenzeitlich eine Abschlußtabelle o.ä. auf der Webseite der Bad Friedrichshaller aufzufinden ist, mit „N.N.“ bezeichnen muß. Ich übernahm schnell das Kommando,Runde 1-150613-1

und konnte die Partie denn auch recht überzeugend gewinnen.Runde 1-150613

Schwarz am Zug vollstreckte elegant …

Auch in Runde zwei bekam ich gegen einen nominell schwächeren Spieler schnell eine klar überlegene Stellung,Runde 2-150613

und nachdem Schwarz hier an seiner Chance, die Dinge etwas zu verkomplizieren, vorüberging, gewann ich auch hier vollends schnell.Runde 2-150613-2

Weiß am Zug

In Runde 3 begann dann der „Ernst“ des Lebens, ich durfte mit Schwarz gegen Bronznik antreten.Runde 3-150613

Wie man aus obiger Stellung erkennen kann, hatte ich ihn gut im Griff, und konnte ihn denn auch erfolgreich „niedergeiern“ 🙂 … .

Mit 3/3 gut ins Turnier gestartet, kam ich nun in Runde vier gegen den an zwei gesetzten Zaitsev. Zunächst opferte er etwas zu optimistisch einen Bauern,Runde 4-150613-1

Stellung nach 13. … Sc6?

für den er aber nach vielleicht etwas übervorsichtigem Spiel von mir ausreichend Kompensation erhielt, und alles auf ein friedliches Ende hindeutete. Anstatt dann jedoch einfach die Züge zu wiederholen, probierte er noch etwas (!?), und wir erreichten nachfolgende Stellung:Runde 4-150613-2

Weiß am Zug

Hier bot ich remis an in dem Glauben, daß dies sowieso nicht zu verhindern gewesen wäre … . Zurecht!?

Danach war erst einmal Mittagspause, und ich gönnte mir ein Steak mit Salat. Günther (Kamm), der genauso wie Uwe Bertz als Dritter im Lauffener Bunde am Turnier teilnahm, traute mir zu diesem Zeitpunkt allen ernstes den Turniersieg zu! Als ich dies vernahm, mußte ich doch schmunzeln … – vielleicht hätte ich doch mehr daran glauben sollen! Gegen Ende der Pause dachte ich noch einmal über obige Schlußstellung nach, und mir ging auf einmal auf, daß mein Gegner fürchterlich gepatzt hatte und ich leider (!?) dann etwas zu oberflächlich gewesen war, und ja in völliger Gewinnstellung remis angeboten hatte!

Etwas geschockt von dieser Erkenntnis ging ich dann etwas angeknockt in die fünfte Runde, in welcher ich auf Hans Dekan traf, der in der Setzrangliste zwar direkt hinter mir rangierte, aber ca. 200 Punkte weniger aufwies. Es entwickelte sich eine interessante Partie, Runde 5-150613-1in welcher Weiß zunächst eine starke Möglichkeit übersah, um ihn einen Zug darauf unter etwas ungünstigeren Vorzeichen doch zu spielen, worauf ich um ein Haar falsch reagiert und die Partie in den Sand gesetzt hätte.Runde 5-150613-2

Schwarz am Zug

Gegen Ende bei beiderseitiger schwerer Zeitnot verkam sie dann aber zu einem Patzfestival, welches ich für mich entscheiden konnte … .Runde 5-150613-3

In Runde sechs traf sich dann auf den an 3 gesetzten Chernov, den ich mit Weiß gut im Griff hatte und unter Druck setzen konnte,Runde 6-150613-1

so sehr, daß er sehr viel Zeit verbrauchte, auch für Tc8 (s. Nächstes Diagramm),Runde 6-150613-2

und letztlich den Durchblick und die Partie verlor!Runde 6-150613-4

Somit hatte ich nach sechs gespielten Runden bereits drei von vier nominell stärkeren Gegnern hinter mir und dabei zusammen mit den drei Siegen gegen die nominell schwächeren Gegner 5,5 von 6 möglichen Punkten erzielt! Und somit kam es nun in der 7. Runde zum Showdown um den Turniersieg gegen den ebenfalls bei 5,5 Punkten stehenden Epishin!

Ich hatte Schwarz, und spielte die Eröffnung etwas ungenau, so daß mein Gegner etwas Vorteil hätte erzielen können, jedoch an den sich ihm bietenden Möglichkeiten größtenteils vorüberging. Ich bot ihm dann zu Beginn des Mittelspiels auch völlig korrekt remis an, worauf er aber nicht einging. Nach kurzer Mittelspielphase Runde 7-150613-1und dem Tausch einiger Figuren erreichten wir ein völlig ausgeglichenes Endspiel, hatten beide aber wohl bereits nur noch weniger als 5 min an Restbedenkzeit. Runde 7-150613-2

Es ist daher auch wenig verwunderlich, dass er in obiger Diagrammstellung nicht den richtigen Zug fand und ungenau spielte, und kurz darauf dann den scheinbar logischen Zug ausführte, nachdem er aber – zumindest theoretisch – mausetot war!! Wir erreichten folgende Stellung:Runde 7-150613-3

Schwarz am Zug gewinnt – fast beliebig …

Leider Gottes ging ich jedoch sowohl an meinen Sieg als auch meinen Remischancen geradezu jämmerlich vorbei (wobei ich mich jedoch auch sehr vom nervös sich immer wieder zum Zwecke der Betrachtung der Uhr über das Brett neigenden Epishin gestört fühlte) und verlor die Partie zu guter Letzt auch noch!

Der Rest ist vollends schnell erzählt: in Runde acht traf ich auf Thomas Maedler, den ich nach etwas verkorkster Eröffnung doch noch souverän besiegen konnte,Runde 8-150613

Schlußstellung

und zu guter Letzt kam es dann noch zu einem innerlauffener Duell gegen Uwe Bertz, welches ich ebenso rasch für mich entscheiden konnte.Runde 9-150613

Schlußstellung

Damit hatte ich respektable 7,5 Punkte aus 9 Partien erzielt! Und da Epishin nur ein Remis abgegeben hatte (gegen Zaitsev!?), war dieser mit 8,5/9 souveräner (!?; zumindest punktemäßig …) Sieger des Turniers. Zaitsev erzielte 7 Punkte (wie, weiß ich nicht genau, evtl. durch 4 remis!?), und somit war ich Zweiter geworden in diesem stark besetzten Schnellturnier! Und trotzdem bin ich irgendwo tatsächlich (zu Recht!) gefrustet – denn schließlich hätte ich dieses Turnier nicht gewinnen können, sondern sogar müssen! Allem Anschein nach hätte dafür sogar ein remis gegen Epishin gereicht, denn – aus welchen Gründen auch immer – schien ich am Ende deutlich mehr Buchholzpunkte gehabt zu haben als er! Und ein kleines Kuriosum am Rande: obwohl ihm ein remis in der Schlußrunde zum sicheren alleinigen Turniersieg gereicht hätte, spielte Epishin diese aus!Ich wunderte mich doch sehr darüber, dachte aber, daß er sich keine Blöße gegen einen nominell klar schwächeren Spieler geben wollte, und er (offenbar unzutreffenderweise) auch sogar im Falle einer Niederlage noch Sieger wäre. Als ich ihn darauf interessehalber ansprach, erklärte er mir, daß ihm ein Lapsus unterlaufen wäre, und er – trotz aushängendem Zwischenstands – der irrigen Meinung gewesen sei, daß er nur einen halben Punkt Vorsprung gehabt hätte, und daher gespielt habe!! Und wenn er, was wohl durchaus möglich war, verloren hätte, dann wäre ich doch noch Turniersieger gewesen!

Nachdem das Turnier zügig genug durchgeführt worden war, konnte ich dann sogar noch die erste Zugverbindung, die auf meiner Liste stand und mich zum 2. Teil meines harten (Schnellschach-)Turnierwochenendes brachte, locker erreichen. Mehr davon dann in Teil 2 🙂 … .

Hier noch einige Turnierimpressionen:Runde 1

Runde 8-5

Runde 8-7

Runde 8-6

 Runde 8-4

Runde 8-2 Siegerehrung-1Die Siegerehrung, 2. Platz

Lauffener Teilnehmer-2

 Die Lauffener Teilnehmer am 6. Bad Friedrichshaller Schnellschachpokal

… wird fortgesetzt …

5 Gedanken zu „Ein hartes (Schnellschach-)Turnierwochenende, Teil 1 – 6. Bad Friedrichshaller Schnellschachpokal“

  1. Hi gunnar, gratulation! Und danke für den unterhaltsamen Bericht. Jetzt bin ich gespannt, wo Teil zwei wohl stattgefunden hat…

  2. Hallo Gunnar,
    es macht einfach immer wieder aufs Neue Spass deine kurzweiligen Berichte zu lesen. Gratulation zu Platz 2!

  3. Der Epishin,… Wahnsinn! Echt beeindruckende Turnierleistung von dir, Gunnar. Da hat der Speedy Gonzalez wohl Glück gebracht.

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