Zugegeben, die Überschrift ist etwas reißerisch, denn schließlich reicht eine einzelne Partie bekanntermaßen alleine nicht, um eine GM-Norm zu erzielen. So sollte es nach Möglichkeit wenigstens noch vorher 8 weitere Partien gegeben haben … . So auch in einem geschlossenen Großmeisterrundenturnier im dänischen Aarhus, welches vorrangig einigen einheimischen Spielern die Möglichkeit zur Erlangung einer solchen Norm geben sollte. Mitmischen durfte zudem der amtierende Stuttgarter Stadtmeister und Gewinner des letztjährigen Oeffinger Opens, Jose Fernando Cuenca Jimenez, als Spieler des austragenden Vereins. Zunächst ließ es sich für ihn auch ganz gut an bei seiner Jagd nach der begehrten Norm, nach einer Niederlage in der 7. Runde jedoch sah es gar nicht mehr gut für ihn aus: er stand bei 4,5/7, und mußte somit die letzten beiden Runden gewinnen, sollte es mit der Norm noch etwas werden! Dann traf er in Runde 8 mit Weiß auf den dänischen Ausrichter des Turniers, Rasmus Skytte (welcher auch selbst am Turnier teilnahm, wohl in der Hoffnung, selbst die begehrte Norm zu erreichen … :-)), welcher zu diesem Zeitpunkt das Turnier mit 5,5/7 anführte und somit nurmehr einen Punkt (also z.B. 2 x remis) für die GM-Norm benötigte! In dieser Partie entschied sich somit, ob am Schlußtag zwei Protagonisten um die Norm kämpfen würden, oder nur einer, oder aber natürlich (im Falle eines Sieges von Skytte) gar keiner! Schauen wir, wie es lief:
Stellung nach 26. … Ke6
Wie man sehen kann, befindet sich Weiß im Vorteil, es erscheint jedoch zunächst so, als ob sich Schwarz verteidigen könnte … .
Stellung nach 37.Td5 – hier zog Schwarz Sf7?! (besser war …!?), worauf Weiß großen Vorteil hätte erlangen können.
Stellung nach 38. …Tb8? (besser war … !!), worauf Weiß erneut großen Vorteil hätte erlangen können.
Nachdem Weiß also an seinem Glück vorbeigegangen war, sah es zwischenzeitlich nach einem Remis aus – dann jedoch …
… zog er hier 43. … Ke7? und gab Weiß damit erneut die Gelegenheit, überwältigenden Vorteil zu erlangen …
… und hier stand er nach 45. … Tb8? sogar auf Verlust, aber Cuenca zog 46.Kc3?, und nun hätte Schwarz nochmals ausgleichen können, „zog“ es aber vor, stattdessen seinen Läufer mit 46. …c5? einzumauern … .
Später erzwang Cuenca dann geschickt die Öffnung der Stellung:
Stellung nach 54. … Tc8
Nachdem Schwarz hier dann noch in allerdings sehr schwieriger Lage mit 58. …Sb3?! seine einzige aktive Figur abtauschte, war es nur noch ein Spiel auf ein Tor …
… und als Schwarz hier noch 61. … Th8 zog (Tb8+ und Tb1 mit etwas Gegenspiel verliert auch, und kann zudem natürlich mit Kc2 direkt abgewehrt werden), gelang es Weiß, seinen Vorteil vollends zu verwerten.
Schlußstellung
Nach diesen wichtigen Erfolg gab es somit also 2, die sich durchaus noch Hoffnung machen konnten, wobei sich der eben besiegte geringfügig höhere Hoffnungen machen durfte, das Ziel doch noch zu erreichen, da er die weißen Steine führen würde, während Cuenca mit den schwarzen Steinen antreten mußte! Was in dieser Schlußrunde jedoch geschah, möchte ich schon fast als legendär bezeichnen wollen!
IM Cuenca (Schwarz)
IM Trent (Weiß)
Zunächst hatte sich Weiß hier mit 9.a4 (?) für eine statistisch äußerst minderwertige Variante (unter 20 % für Weiß!) entschieden (wohl unwissentlich), was von Schwarz stark beantwortet wurde, und schritt dann weiter unbeirrt auf dem falschen Pfad voran:
Hier nahm Weiß auf b5(?; besser d3), um danach einen Bauern zu „gewinnen“ …
Weiß am Zug
… um dann ziemlich unter Druck zu geraten …
Schwarz am Zug
was zunächst nicht so schlimm zu sein schien, da er eine Ausgleichsvariante erkannt haben dürfte,
Schwarz sicherte sich hier mit seinem 17. Zug die GM-Norm!!
nur um dann feststellen zu müssen, daß diese ein übles Loch hatte und der Bauer eine äußerst unbekömmliche „Mahlzeit“ darstellte!
Weiß zog hier noch 20.d4 und gab ohne Tg6 abzuwarten auf …
Ist es nicht so, daß man als Schachspieler davon träumt, eine GM-Norm auf s o eine Art zu erzielen!? Wohl schon – aber es dann auch tatsächlich zu schaffen, daß ist schon wahrlich ein Ding! Und bevor jetzt irgendjemand auf dumme Gedanken kommt und meint, Betrug wittern zu müssen (also eine Absprache o.ä.), dem möchte ich entgegnen, daß beide Spieler ziemlich viel Zeit für diese Partie aufgewendet haben, was einer Absprache m.E. klar entgegen zu stehen scheint! Zudem hat ein ganz ordentlicher Spieler (Holger ;-)), dem ich die Stellung vor 13.Lf7:+? gezeigt habe, denselben Fehler begangen wie IM Trent! Und ziemlich sicher hat auch der eine oder andere Leser dieses Artikels ähnlich gedacht … .
Herzlichen Glückwunsch jedenfalls an (Noch-)IM „Pepe“ Cuenca-Jimenez zur geglückten GM-Norm und dem „nebenbei“ erlangten geteilten Rundenturniersieg (mit GM Palo)!
Ach ja, wir wollen den zweiten (Skytte) im Bunde nicht vergessen und sehen, wie es für ihn lief – irgendwie auch legendär … :
Nach zunächst äußerst zähem Verlauf entschloß sich Schwarz, einen schwachen Bauern aufzugeben
26. … Le8 mußte nicht sein
und machte ihm dann – da er den besten Zug nicht fand – einen hübschen Freibauern und nährte so die weißen (Sieg-GM-Norm-)Träume
28. …De5:?!
um sich kurz darauf nach einem gravierenden Fehler
32. … h5??
in einer verlorenen Stellung wiederzufinden! Nach einem weiteren Fehler
Stellung nach 39. … Lb3?
hätte Weiß den Sack mit seinem 40. und 41. Zug vollends zu und die GM-Norm sicher machen können!
Er ging jedoch an dieser Möglichkeit vorbei, was aber eigentlich völlig egal war, wie ein Blick auf folgende Stellung beweist:
Hier konnte Weiß erneut „einfach“ gewinnen (53. …) – aber erneut spielte er ungenau, und irgendwo ist es im Schach wie im Fußball, irgendwann rächen sich die zuviel vergegebenen Chancen …
Auf einmal fand sich Weiß in einer keineswegs mehr trivial zu gewinnenden Stellung wieder … – was auch daran erkennbar ist, daß hier nur noch e i n Zug den weißen Sieg erzwang! Weiß spielte jedoch 60.Sf2?? …
… worauf sich Schwarz hier mit 63. …Lf7?? revanchierte und Weiß es ihm sogleich gleichtat mit 64. Sh7??, woraufhin Schwarz korrekt 64. … Lh5 … entgegnete, nur um auf 65.Sf6
erneut Lf7?? zu ziehen, womit Weiß eine letzte Chance erhielt, sich der GM-Norm würdig zu erweisen.
Er zog hier jedoch 70.e6+??, und wenn auch der einzige Zug in dieser Stellung, der noch forciert gewann, alles andere als trivial ist wie sowieso das ganze Endspiel, sollte doch eigentlich klar sein, daß es e6?? nun wirklich nicht sein konnte (zu verpflichtend etc.)! Schwarz hielt nunmehr jedenfalls vollends souverän remis! Aus der Traum von Norm (welche nach dieser „Leistung“ aber auch irgendwie unverdient gewesen wäre …) – irgendwie kann ich mir die Bemerkung nicht verkneifen, daß Weiß hier wie der VfB Stuttgart z.Z. gespielt hat – nur daß er wenigstens nicht noch ganz am Ende verloren hat … .
Übrigens – ich habe vor, demnächst einen weiteren Artikel einzustellen über die momentan laufende Euro, ich habe schon einige interessante Dinge entdeckt. Bleibt also am Ball, und schaut bald mal wieder rein!
🙂 Ja der VFB ist derzeit kein Hans im Glück
Nette Partie 🙂
Hallo,
also ich geb’s auf!
Was war an Sf7 so schlecht? Diese Behauptung müssen Sie im Artikel belegen und nicht ich mit Houdini nachrechnen. Der sieht nach Sxd6 weiß allenfalls mit leichtem Vorteil.
Gruß Kutschker